Krankheiten

Die unzureichende Ernährung, Hunger, die katastrophalen hygienischen Zustände und die Unterbringung auf engstem Raum führten zu Infektionen und Erkrankungen. Fast alle Häftlinge litten an Dystrophie. Viele waren von schorfig-eitrigen Hauterkrankungen und Durchfällen geplagt, an Wassersucht oder Lungenentzündung erkrankt. Probleme mit schmerzenden Zähnen wurden ohne Betäubung mit der Kneifzange gelöst.

 

Das seelische Leid, ausgelöst durch die Hoffnungslosigkeit der Lagerhaft und die absolute Isolation von der Außenwelt, schwächte die Widerstandskraft der Gefangenen zusätzlich. Nur manchmal erreichte sie ein kleines tröstendes Zeichen “von außen”: das Läuten der Glocken der Martin-Luther-Kirche von Ketschendorf. Es war die einzige Verbindung zur Außenwelt. Die Folge der Lagerbedingungen war eine hohe Sterberate mit ihrem Höhepunkt im Frühjahr 1946. Trotz eines Lagerlazaretts war die medizinische Versorgung völlig unzureichend. Den Häftlingsärzten standen außer Jod kaum Medikamente zur Verfügung, auch keine chirurgischen Hilfsmittel. „Operiert“ wurde mit nicht ganz sterilen einfachen Messern, Scheren und Glasscherben.

 

Zu der am schlimmsten erkrankten Gruppe im Winter 45 und Frühjahr 46 gehörten die männlichen Jugendlichen. Sie litten an Furunkulose, Krätze und eitrigen Hauterkrankungen. Bei einer Generaluntersuchung wurde festgestellt, dass von den noch lebenden etwa 1000 Jungen nur noch weniger als fünfzig nicht von Hautkrankheiten betroffen waren. Eine Verbesserung der Lage der Erkrankten trat erst mit der Isolierung der Krankheitsgruppen und nach begrenzter Versorgung mit Medikamenten ein. Hilfreich war auch eine etwas vitaminhaltigere Ernährung und das warme Wetter des Sommers 1946.

 

Das Sterben

Die Anzahl der Insassen des Lagers Ketschendorf lässt sich nicht genau bestimmen. Sie änderte sich im Verlauf der Monate, auch durch Verlegung von Gefangenen. Man rechnet mit etwa 10.400 Insassen – gewiss ist jedoch die Anzahl der dort Verstorbenen, nämlich 4.620 Häftlinge.

 

Anfangs wurden sie noch bekleidet und einzeln von dem Totenkommando auf Bahren aus dem Lager getragen. Als das große Massensterben im Frühjahr 1946 einsetzte, stapelte man sie nackt zum Abtransport auf einem Wagen. Man vergrub die Toten auf einem Geländestück zwischen dem hinteren Lagerzaun und der Autobahn, dem „Wäldchen“. Zuerst waren es noch Einzelgräber. Später verscharrte man die Vielzahl der Toten in Massengräbern.

 

Vermutlich wegen einer Inspektion, wurde eines Tages die Gräberfläche mit jungen Fichten, ohne Wurzeln, besteckt. Diese Tarnung war nach wenigen Wochen verdorrt.

 

Ketschendorfer Lagergedicht

Verfasser unbekannt
Wißt ihr wo die Toten liegen?
Im “Wäldchen” –
unter grauen Hügeln ruhen sie aus von allem Leid –
ohne Sarg und ohne Kleid.
Feindliche Hände betteten sie lieblos in der Morgenfrüh,
ohne Gebet und ohne Geleit rückten sie in die Ewigkeit.