Ein Befehl

Im Dezember 1946 stellte der Verantwortliche für die Speziallager des NKWD Swiridow fest, dass sich in den 10 Lagern nur noch 76.055 Häftlinge befanden, die Kapazität jedoch wesentlich größer war. Da Zugänge nicht mehr zu erwarten waren, erging der Befehl, einige Lager zu schließen, wozu auch das Lager Ketschendorf gehörte.

Nach Sibirien

Bei eisiger Kälte, bis zu -20°C, begannen am 15. Januar 1947 die Vorbereitungen zur Auflösung des Lagers. 662 arbeitsfähige Häftlinge aus Ketschendorf und dem Lager Jamlitz wurden ausgesondert, erhielten Winterbekleidung und wurden für den Einsatz im Kohlebergbau nach Sibirien verschickt. Sie erreichten nach drei Wochen den Knotenpunkt Brest-Litowsk. Hier wurden nochmals die Arbeitsfähigen selektiert und weiter nach Sibirien transportiert. Sie waren bei eisiger Kälte fast sechs Wochen unterwegs. Kranke und arbeitsunfähige Personen wurden zurückgeschickt, jedoch nicht in die Freiheit, sondern in die Speziallager Buchenwald und Bautzen – insgesamt 192 der 662 im Januar auf den Transport nach Sibirien Geschickten.

Transport in andere Speziallager der SBZ

Alle anderen Inhaftierten wurden, ohne zu wissen, wohin es ging, auf die Lager Jamlitz, Mühlberg, Fünfeichen (Neubrandenburg) verteilt, kleinere Kontingente nach Sachsenhausen und Buchenwald transportiert.
Ähnlich wie der Häftlingstransport vom 28. Februar nach Fünfeichen verlief die Beförderung der Gefangenen in die anderen Lager: Etwa 1.600 Häftlinge wurden in einem Zug eng zusammengepfercht. Die Beladung des Zuges dauerte zwei Tage. Die Häftlinge, teilweise seit ihrer Verhaftung 1945 noch immer in sommerlicher Oberbekleidung, mussten zu Fuß durch tiefen Schnee zum Transportzug gehen. Er bestand aus Güterwagen, in denen Sitzbalken quer, ohne Lehnen, für 50 Personen eingebaut waren. Im Eingangsbereich jedes Waggons stand ein kleiner eiserner Ofen. Daneben befand sich ein viel zu kleiner Holzvorrat und Streichhölzer, die nicht ausreichten, um das Holz mehrfach anzuzünden. Es gab auch einen Abortkübel.

Am längsten zu leiden hatten die Häftlinge, die schon am ersten Beladungstag der Kälte ausgesetzt wurden. Der Transport nach dem 165 km entfernten Fünfeichen war bei eisigen Temperaturen fünf Tage unterwegs. Vor der Abfahrt wurde jedem ein Salzhering zugeteilt. Das hatte katastrophale Auswirkungen, denn es gab nichts zu trinken. Bei einem Halt des Zuges zum Entsorgen der Abortkübel klaubten die durstenden Gefangenen Schnee auf. Er wurde geschmolzen und getrunken. Die Folge waren schlimme Durchfälle, wodurch unvorstellbare hygienische Zustände durch überlaufende Abortkübel in den Waggons entstanden.

Die Geschichte des Speziallagers Nr. 5, Ketschendorf, hatte mit dem Abtransport der Häftlinge ihr Ende gefunden, nicht aber das Leiden der in andere Lager verlegten Inhaftierten.