Die Entlassung, z.B. aus Fünfeichen

Die ehemaligen Häftlinge des Speziallagers Ketschendorf erfuhren im Lager Fünfeichen veränderte Lebensbedingen. Sie erhielten eine etwas ausreichendere Verpflegung, waren in Baracken untergebracht, eine minimale Körperhygiene war möglich, die medizinische Versorgung wurde verbessert. Ein kleiner Teil der Gefangenen durfte arbeiten. Sie lebten noch immer in der gleichen Bekleidung wie bei ihrer Verhaftung.
Anfang 1948 besserte sich die Verpflegung und wurde etwas kalorienreicher. Seit April/Mai begann ein „Aufrufen“ der Inhaftierten. Es wurden Hoffnungen geweckt. Waren das Vorbereitungen zur ersehnten Entlassung? Im Lazarett bekamen die abgemagerten Kranken täglich einen Becher Hefelösung zum „Aufschwemmen“ zu trinken. Man trank es, aus Furcht, dass zu Abgemagerte nicht entlassen werden würden. Die Entlassungen aus dem Lager erfolgten dann ab Juli 1948, schubweise, nach festem Ritual:
  • Einkleidung der völlig Abgerissenen mit noch brauchbaren deutschen Uniformteilen
  • Ausgabe der Marschverpflegung – Brot, Zucker, sogar etwas Butter
  • Übergabe des Entlassungsscheines durch einen sowjetischen Offizier
  • vielfach Aushändigung von 25,- M Entlassungsgeld
  • Transport per LKW zum nächsten Bahnhof
  • nachdrückliche Auferlegung des Schweigegebots über die Verhaftungs- und Internierungszeit durch den sowjetischen Begleitoffizier
Während der gesamten Haftzeit, von der Verhaftung bis zur Entlassung, hatten die Internierten keinen Kontakt zu deutschen Behörden oder deutscher Polizei, sie befanden sich in einem sowjetischen Speziallager.

 

Dennoch trugen die Entlassungsscheine aus allen Speziallagern die Unterschrift des jeweiligen deutschen Landespolizeichefs. Bei dieser ersten Entlassungsaktion im Jahr 1948 wurden 27.749 Personen aus den Internierungslagern entlassen. 16.104 Lagerinsassen blieben noch bis Anfang 1950 in sowjetischer Haft.

Weg in die Freiheit ?

Nach der ersten Freude über ihre Rückkehr gestaltete sich das Leben der Entlassenen oftmals schwierig. In den Jahren ihrer Abwesenheit hatte sich manches Schmerzliche in ihren Familien zugetragen, das sie nun zu verarbeiten hatten. Angehörige anderer Inhaftierter bedrängten sie nach Informationen über deren Verbleib. Sie mussten schweigen. Ihre Freunde, die nicht verhaftet worden waren, hatten in der Zwischenzeit häufig ihre berufliche Entwicklung abgeschlossen – sie selbst standen vor dem Nichts. Hinzu kam, dass viele Entlassene mit schweren Erkrankungen zu kämpfen hatten, wie Lungentuberkulose, Rheuma, Herzerkrankungen und Depressionen. Viele starben frühzeitig an den Spätfolgen der Internierung.
Der Neuanfang war für die meisten Entlassenen besonders schwierig. Haft im Internierungslager galt für viele Institutionen in Politik, Verwaltung und Betrieben als ein Schuldbeweis. Die Frage nach dem Grund ihrer Inhaftierung konnten die meisten nicht beantworten. Sie kannten ihn nicht, denn es hatte keine Schuldfeststellung gegeben.
Für die Bevölkerung in der SBZ und auch später in der DDR blieb das Thema Internierungslager ein Tabu. Selbst Gesten der Trauer von Angehörigen wurden nicht geduldet. Blumen, die auf die vermutete und tatsächliche Grabfläche hinter dem ehemaligen Lager Ketschendorf niederlegt wurden, entfernte die Deutsche Volkspolizei regelmäßig. Bei Bauarbeiten auf diesem Gebiet stieß man 1952 auf die Massengräber der im Lager Ketschendorf Umgekommenen. Unter strenger Geheimhaltung transportierte man die Gebeine der Toten nach Halbe und vergrub sie dort anonym auf dem Kriegstotenfriedhof. Sie waren keine Kriegsopfer.
Sie starben nicht im April 1945, sondern von 1945 bis 1947 Im Speziallager Nr. 5 in Ketschendorf.